PitClown

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Samstag, 29. Mai 2004, Allgäuer Zeitung,
Klaus-Peter Mayr

Einmaliges Projekt auf der Zielgeraden
„Culture squat“:
Zweite Ausstellungs-Staffel wird die letzte sein

Das Künstlerhaus „culture squat“ in der Fuß-
gängerzone wird in diesen Tagen erneut umgestaltet.
Die zweite Staffel von Künstlern erobert
das Haus, im Café war beispielsweise
der Markt Rettenbacher Pit Kinzer zugange
und transferierte Gebrauchsspuren des Fußbodens
an die Wand. Für den Manager dieses
einmaligen Kunst-Projekts und Mieter des
ehemaligen Hauses International, Stephan
Rustige, wird die zweite Staffel auch die letzte
sein. Obwohl der Abriss nun auf unbestimmte
Zeit verschoben ist, gibt Rustige am 1. August
den Schlüssel bei der Stadt ab, wie er erklärte.
Eigentlich wollte Rustige am Ende des Projektes
selbst den Bagger mit der Abrissbirne
steuern. Doch nun wird das Haus an der Ecke
Fischer-/Beethovenstraße, das sich im Besitz
der Stadt befindet, vorerst gar nicht abgerissen.
Wie berichtet, findet der Investor, eine
auswärtige Baufirma, derzeit keine Mieter für
ein Neubaukonzept. Rustige könnte theoretisch
weitermachen, die Nachfrage von
Künstlern, die Zimmer, Stockwerke oder
Treppenhaus des mehrgeschoßigen Gebäudes
bespielen wollen, ist groß.
Doch Rustige mag nicht mehr. „Ich habe einen
Vertrag, der am 31. Juli endet“, sagt er und
fügt an: „Am 1. August gebe ich den Schlüssel
ab.“ Er wolle nicht weiter „im Sumpf der Ratlosigkeit
herumwaten“, sondern wieder seine
eigenen künstlerischen Projekte verfolgen,
die er in den letzten acht Monaten vernachlässigt
habe.
Im Atelier in Trunzen (bei Wiggensbach)
warten Arbeiten, im Frühjahr 2005 sei eine
Ausstellung mit seinen Werken in der Kemptener
Kunsthalle geplant.
Rustige gibt zu, dass das Projekt anstrengend
gewesen sei. Dennoch ist er mehr als zufrieden:
„Meine Erwartungen wurden weit
übertroffen. Das war eine vollkommen runde
Sache.“ Er habe seine Visionen verwirklichen
können. Und er habe vorher nicht geglaubt,
dass die Kooperation zwischen Künstlern,
Kunstinteressierten und Helfern so gut laufen
würde. Sie funktioniert auch jetzt wieder gut.

Pit Kinzer beispielsweise hat sich auf Spurensuche
im Café gemacht. Fast wie ein Archäologe
kniet er dabei am Boden, hält die Schrunden
und Löcher im PVC fest, indem er zylindrische
Flächen von zwei Metern Länge und
30 Zentimetern Breite, die er wie ein Straßenarbeiter
absperrt, mit roter Farbe bemalt und
einen Abdruck davon auf Transparentpapier
zieht.
Großdimensionierte Zeichnung
Das Papier wiederum hängt er dann an die
Wände. So spiegelt sich das Horizontale in
der Vertikalen. Zugleich entsteht auf dem
Fußboden eine großdimensionierte Zeichnung,
auf der wiederum neue Gebrauchsspuren
entstehen. Ein witziges Spiel mit Ort und
Zeit.
Insgesamt machen etwa 20 Künstler bei dieser
zweiten Staffel mit. Als Vernissage gibt es
am Pfingstmontag, 31. Mai, eine große „Inspiration-
Party“, die um 19 Uhr beginnt und öffentlich
ist.
i Weitere Informationen zum Projekt
und zu den Aktionen der Künstler im
Internet unter www.culture-squat.de


Ein Künstler bei der Arbeit: Der Markt Rettenbacher Pit Kinzer hat in den
vergangenen Tagen das Café des Kemptener Künstlerhauses neu gestaltet.
Er kopierte mit roter Farbe Gebrauchsspuren vom Boden und hängte sie an
die Wand. Foto: Jörg Schollenbruch