<< zurück

Kopfüber in die Rathausfassade getaucht

Eichstätt (EK) Der Allgäuer Pit Kinzer ist ein moderner Universalkünstler. Er ist Architekt und Musiker, er ist Schriftsteller, Schriftsetzer und Mediengestalter und er ist Materialtechniker, Maler, Radierer, Holzschneider und Fotograf. Vor allem aber ist er seit gut sechs Jahren leidenschaftlicher Sammler von Miniaturfigürchen, mit denen er, da ganz Künstler-Kreator, Welten erschafft, Weltprospekte kreiert und kleine Welttheater einrichtet. Um das Jahr 2004 war es, als Kinzer erstmals auf die Figuren der Rothenburger Firma Preiser aufmerksam wurde, die seit gut 60 Jahren weltweit Modelleisenbahnanlagen mit lebensechtem Personal en miniature ausstaffiert. Eine kleine Schwimmer-Figur hatte es dem Künstler sofort angetan. Er legte den Schwimmer auf eine Glasplatte und machte Makro-Fotografien davon, die dank moderner Printtechniken heute in metergroße Bildwerke überführt werden können.

Im Mai 2010 präsentierte Kinzer nun im Rahmen der großen OpenHeArt-Kunstaktion im öffentlichen Raum von Eichstätt einige seiner "Schwimmer" unter dem Titel "Sprung ins Ungewisse" an der Rathausfassade von Eichstätt. Die Fassadentafel ist dabei eine ideale Folie, vor der die auf Mischgewebe aufgedruckten Schwimmer einen Köpfer wagen konnten. Nun könnte man an diesen Beitrag Kinzers zu Open HeArt aktuell auch gleich noch eine kleine Kunstarchäologie anhängen, denn Kinzers Schwimmer sind schon wieder untergetaucht. Weil das Rathaus rundum saniert wird, ist die Rückkehr der Schwimmer ungewiss. Aber Kinzer hat auch daran Gefallen, denn mit den Preiser-Figürchen ist er seit Jahren höchst kreativ unterwegs – weltweit natürlich. Eine Serie von Zimmermännlein läuft bei Kinzer unter dem Titel "auf der Walz". Die Miniaturzimmerer hat er in Schwarzweiß-Fotos vom Atomium in Brüssel oder von der Tower-Bridge in London und vom Brandenburger Tor in Berlin hineinmontiert. Einen Arbeitsnachweis wollen die kleinen Zimmerer damit nach Hause senden, von all den Orten, wo sie aufgrund ihrer Lebensbestimmung, eben Staffage für Eisenbahnanlagen sein, regelmäßig hinreisen. Man kann in Eichstätt also getrost darauf warten, von wo demnächst Schwimmer-Post ins hiesige Rathaus gelangt. Oder aber der Künstler sendet vom eingerüsteten Rathaus aus Zimmermännlein-Fotos in alle Welt, die die fleißigen Heinzelmännchen mit dem Schlapphut und der Latzhose beim Werkeln am Rathausdachgebälk zeigen.

Und nebenbei bemerkt: Von Kinzers Werk wie auch von Marc Köschingers Schmetterlingsschwarm oder vom "technik- und naturhistorischen Kunstprojekt" Tom Neumaiers gehen so starke Herzschläge aus, dass Eichstätt wegen Open HeArt medial in diesem Sommer 2010 präsenter denn je ist.

Rüdiger Klein

"Open HeArt", Kulturfestival Kunst im öffentlichen Raum,"Kunst im Zentrum" Eichstätt

Donaukurier, 24.06.2010